1.5. Von der Sehnsucht nach Gott und dem Glauben der Kirche

Religiöse Sehnsucht und Glaube
Manchmal habe ich den Eindruck, obwohl die Kirchen immer leerer werden und immer mehr Menschen aus der institutionellen Kirche austreten, spüren viele so etwas wie eine religiöse Sehnsucht. Sie suchen Halt bei einer höheren Macht, die alles zum Guten wenden soll. Ich bin immer wieder überrascht, welche Musik sich Angehörige anlässlich einer Trauerfeier wünschen. Selbst dann, wenn sie nicht mehr zur Kirche gehen und sich selbst nicht als gläubig bezeichnen, möchten sie Lieder hören, die zwar keine gängigen Kirchenlieder sind, aber – zumindest in meinen Ohren – die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod zum Thema haben. Die Sehnsucht, im Allerletzten gehalten zu sein, steckt anscheinend in vielen Menschen. Und ich glaube, diese Sehnsucht versuchen Menschen zu stillen, mit Wellness, durch Achtsamkeitsmeditation oder in einem Sammelsurium aus verschiedenen religiösen oder esoterischen Praktiken und Richtungen. Vielleicht leben sie damit ihre religiösen Gefühlen aus. Doch diese religiösen Gefühle allein haben noch nichts mit dem christlichen Glauben zu tun, wenngleich natürlich diese auch dort ihren Platz haben dürfen.

Eine nur persönliche, kuschelige Religiosität kommt an ihre Grenzen. Trägt mich das gute Gefühl auch in Lebenskrisen? Hilft es mir, mich in konkreten Situationen zu entscheiden? In meinem Alltag brauche ich auch Wertmaßstäbe. Etwas, auf das ich mich zurückbinden kann. Vor allem, wenn ich mit anderen Menschen zusammenlebe. Eine Gemeinschaft braucht eine gemeinsame Verbindlichkeit. Hier kommen Weltanschauungen ins Spiel und auch die Religion. Das Wort Religion leitet sich ab vom Lateinischen religere. Das heißt zurück-binden. Wer sich zu einer Religion bekennt, fühlt sich zugehörig zu einer bestimmten religiösen Tradition. Die Religion verbindet ihre Anhänger miteinander, die sich zu ihrer gemeinsamen Weltsicht und zu gemeinsamen Wertmaßstäben bekennen. Ein solches Bekenntnis gehört zu jeder Religion. Doch Wertmaßstäbe, Moral und das Fürwahr-Halten von Lehrsätzen allein machen immer noch nicht den christlichen Glauben aus.

Im Mittelpunkt des christlichen Glaubens steht eine Person: Jesus Christus[1]. Und es geht um die Begegnung mit ihm, denn er hat unserem Leben einen neuen Horizont gegeben. Einen Horizont, der weiter reicht, als bis zur Grenze des Todes. Letztendlich ist der Glaube die Antwort auf die Frage: „Wem vertraue ich mein Leben an?“ Dieses Vertrauen muss wachsen. Man kann nie sagen: „Jetzt habe ich meinen Glauben.“ Denn der verändert sich immer wieder – so wie sich jede menschliche Beziehung verändert.

Unser Glaube – der Glaube der Kirche
Glauben ist ein Beziehungsgeschehen. Und dennoch sprechen wir vom Glaubensbekenntnis der Kirche oder sogar vom Glauben der Kirche, der festgehalten ist in offiziellen Lehraussagen und Dogmen. Wie passt das zusammen? 

Als Christ zu glauben bedeutet, dass ich mein Leben Gott anvertraue. Dass ich mich festmache – mich binde an den Gott, den Jesus Christus verkündet hat. Deshalb brauche ich die Bibel, die Ur-Kunde des Glaubens. Wer die Bibel nicht kennt, kennt auch Jesus Christus nicht und erst recht nicht seinen Gott! 

Ebenso wie die Bibel brauche ich die Gemeinschaft der Glaubenden. In der Bibel heißt es: Gott ist die Liebe. Und zur Liebe gehören mindestens zwei. Also eine Gemeinschaft. Wenn ich in der Gemeinschaft der Glaubenden Liebe erfahre, bekomme ich eine Ahnung von der Liebe Gottes.

Durch Jesus wissen wir: Gott stellt keine Bedingungen. Er sagt ganz einfach: „Ich liebe dich! Vor aller unser Leistung und trotz aller Schuld.“ Zuerst kommt Gottes Zusage. Danach erst folgt sein Anspruch. Denn wenn ich auf seine Liebe eingehe, ändert das mein Leben und Handeln. 

Christlicher Glaube ist also eigentlich ganz einfach: 

· von Gott geliebt sein, 

· seiner Liebe glauben

· und ihm in Liebe antworten.

Meine persönliche Beziehung zu Gott ist das eine. Sie ist entscheidend für meinen persönlichen Glauben. Das andere ist mein Bekenntnis zu Gott.

Unterbrechung:

Hast du eine Antwort darauf, wenn dich morgen jemand fragt: „Was glaubst du eigentlich“? Kannst du Auskunft geben, wenn dich jemand fragt: „Was glaubt ihr Christen eigentlich?“






[1] vgl. Papst Benedikt XVI, Enzyklika Deus caritas est (Gott ist die Liebe).

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