2.9. Gebet ist Treue und Liebe

Gott vorleistungsfrei lieben
Jesus stellt Zachäus keine Bedingungen (siehe Post 1.8). So nach dem Motto: „Erst wenn du dein Leben änderst und ein besserer Mensch wirst, bist du es wert, dass ich mich mit dir abgebe.“ Jesus begegnet Zachäus vorleistungsfrei. Damit zeigt er: So ist Gott. Gott liebt uns vor aller Leistung. Sollte ich ihn dann nicht auch lieben – vorleistungsfrei? ---

Meister Eckehart, ein Theologe und Philosoph aus dem Mittelalter (13. Jh.) meinte:
„Manche Leute lieben Gott, wie sie eine Kuh lieben.
Die liebst du wegen der Milch und wegen des Käses
und deines eigenen Nutzens.
So halten`s alle jene Leute,
die Gott um äußeren Reichtum oder inneren Trostes willen lieben;
die aber lieben Gott nicht,
sondern sie lieben ihren Eigennutz!"[1]


Wenn ich einen Menschen wirklich liebe, dann liebe ich sein Wesen und nicht allein das, was er für mich tut. Wenn ich nur eine Beziehung eingehe, weil ich etwas davon habe – z.B. Ansehen, Wohlstand, Karrierechancen - , dann geht es mir nicht um den Partner / die Partnerin. Dann geht es mir nur um mich selbst. Und wenn der Partner seinen Zweck nicht mehr erfüllt, lass ich ihn fallen… Wenn ich Gott nur liebe für das, was er für mich tut, ist es ähnlich. Wenn meine Wünsche nicht erfüllt werden, lasse ich es mit dem Beten – vielleicht sogar mit dem Glauben überhaupt.

Sollte man Gott beim Beten dann überhaupt um etwas bitten? Mein Onkel sagte nach dem Tod meiner Tante, die lange krank war: „Wir haben doch so viel gebetet und so viele Kerzen angezündet, und dann ist sie doch gestorben.“ --- Warum erfüllt Gott nicht immer unsere Bitten? Kann er es nicht? Will er es nicht? Gibt es ihn etwa nicht? Dietrich Bonhoeffer[2] sagt: „Nicht alle unsere Wünsche erfüllt Gott, aber alle seine Verheißungen.“[3] Natürlich dürfen wir Bitten vor Gott tragen. Doch Jesus sagt: Tut es in der rechten Haltung.

Darum sage ich euch:
Bittet und es wird euch gegeben;
sucht und ihr werdet finden;
klopft an und es wird euch geöffnet.
Denn wer bittet, der empfängt;
wer sucht, der findet;
und wer anklopft, dem wird geöffnet.
Oder welcher Vater unter euch, den der Sohn um einen Fisch bittet,
gibt ihm statt eines Fisches eine Schlange
oder einen Skorpion, wenn er um ein Ei bittet?
Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten. Lk 11, 9-13


„Nicht alle unsere Wünsche erfüllt Gott, aber alle seine Verheißungen.“ Er verspricht uns seinen Geist: Seinen Beistand, seine Kraft, seine Inspiration. Das Bittgebet sollte daher besser nicht konkrete Dinge beinhalten. Dann werde ich womöglich enttäuscht, wenn Gott meinen Wunschzettel nicht abarbeitet. Wenn ich jedoch um Haltungen bitte, ist es etwas anderes. Meine kranke Tante ist gestorben – trotz des Betens. Doch durch das Gebet hat mein Onkel die Kraft gefunden, seine Trauer durchzustehen. Beten verändert nicht die Situation, es verändert den Menschen. Es verändert unsere innere Haltung zu uns selbst, zu unseren Mitmenschen und zu Gott. Vor allem aber stärkt es das Vertrauen und damit den Glauben.


Gebet ist Treue
Manchmal fällt es mir schwer zu beten. Ich vermisse das schöne Gefühl oder ich habe einfach keine Lust. – Was tun? Nur beten, wenn mir danach ist? Dann warte ich unter Umständen lange auf den rechten Augenblick. Der Theologe Romano Guardini[4] meint: 

„Das Gebet, das aus dem inneren Drang entspringt,
scheint im Ganzen gesehen, fast die Ausnahme zu bilden.
Wer sein religiöses Leben nur darauf aufbauen wollte,
würde wahrscheinlich bald überhaupt nicht mehr beten. […]
Gebet ist nicht nur Ausdruck des Innern […],
sondern auch und in erster Linie
Dienst, der in Treue und Gehorsam getan werden soll.“[5]


Wenn ich keine Worte finde, keine Lust habe oder mich sonst etwas vom Beten abhalten will, ist eines wichtig: Dran bleiben. Wenigsten regelmäßig etwas von meiner Zeit für Gott freihalten. Damit halte ich Ausschau nach ihm aus – wie Zachäus. Ich bringe mich in die rechte Position. Nur dann hat Gott die Chance, dass er bei mir ankommen kann.

Ähnlich sagt es auch Fulbert Steffensky – ein evangelischer Schriftsteller:

„Beten ist keine Kunst, sondern Beten ist ein Handwerk. 
Das Gebet fordert einige trockene Tugenden: Regelmäßigkeit, Pünktlichkeit, Ausdauer. 
Ein flammendes Gefühl ist nicht erfordert. Im Gegenteil, es ist einem ja meist unwohl in der Mitte flammender Beter. 
Beten ist ein Stück Arbeit.
Meist ist es langweilig, und man ist froh, wenn es vorbei ist.
Dagegen ist nichts zu sagen.
Und doch entflammt das Gebet langsam das Herz.
Man kann das notwendige Gebet nicht erst dann erfinden, wenn man es braucht, 
wie der Moment des Ertrinkens ungeeignet ist, schwimmen zu lernen.
Das halbe Gebet von heute sorgt für das Ganze von morgen.“
[6]


Unterbrechung:
  • Zu welcher Tageszeit kann ich Gott am besten die Treue halten? 
  • Finde ich einen Platz im Kalender, den ich für Gott reserviere und den ich genauso treu einhalte, wie alle anderen Termine?



[1] Meiser Eckehart, Predigt 16, zitiert in: R. Körner, Jesus braucht Kleinbauern, Münsterschwarzach 2009, 44 
[2] 1906-1945, lutherischer Theologe, Widerstandskämpfer im Dritten Reich, hingerichtet im KZ Flossenbürg
[3] Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, DBW Band 8, S. 569
[4] 1885-1968, kath. Theologe, brachte die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils auf den Weg 
[5] Romano Guardini, Vorschule des Betens, Mainz, 4. Aufl. 1999, S. 11f.
[6] Fulbert Steffensky: Das Haus, das die Träume verwaltet S. 48 ff.

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