3.10. Das Evanglelium leben und vom Evangelium leben

Natürlich kann man die Bücher der Bibel lesen, wie andere Bücher auch. Das kann helfen, den größeren Zusammenhang zu erkennen. Denn die Evangelisten haben das, was ihnen mündlich oder schriftlich überliefert war, kunstvoll zusammengesetzt, so dass bereits durch die Reihenfolge der Erzählung eine Botschaft vermittelt wird. Außerdem erkennt man manchmal erst durch den Handlungsrahmen, zu wem Jesus zum Beispiel spricht. Ob er also zu einer größeren Gruppe spricht, zu seinen Jüngern oder gar zu seinen Gegnern. Der Erzählzusammenhang erleichtert also das Verständnis. 

Auf der anderen Seite hat auch der Rat des Ignatius von Loyola etwas für sich, der meint: „Nicht das Vielwissen sättigt die Seele, sondern das verkosten von innen her.“ Wer länger bei einem kurzen Abschnitt verweilt und dieses Wort Gottes an sich heranlässt, für den wird diese Bibelstelle wahrscheinlich fruchtbarer, als wenn man eine Stunde lang viele Seiten nur querliest. Eine methodische Anleitung, wie dieses Verkosten von innen her erfolgen kann, hast du bereits im Laufe dieses Kurses kennen gelernt. Vielleicht hast du ja zum Beispiel die Zachäus-Geschichte bereits auf diese Art und Weise gelesen und meditiert. 

Doch egal, wie du beginnen willst: Wichtig ist, du fängst erstmal an. Auch wenn du nicht sofort zu allem einen Zugang bekommen solltest: bleib dran und hab Geduld! Papst Gregor der Große (+ 604 n.Chr.) hat einmal gesagt: „Die Schrift wächst mit dem Lesenden.“

Wenn du dran bleibst, erfährst du vielleicht, was der Schriftsteller Mark Twain einmal gesagt hat: „Schwierigkeiten bereiten mir eigentlich nicht die Bibelstellen, die ich nicht verstanden habe, sondern diejenigen, die ich verstehe.“ Denn was ich verstehe, fordert mich zum Handeln heraus, so wie es Frere Roger, der Gründer der ökumenischen Brüdergemeinschaft in Taize, meinte: „Lebe vom Evangelium das, was du verstanden hast – und wenn es noch so wenig ist, aber lebe es!“.

Unterbrechung:
  • Was habe ich bisher von der frohen Botschaft verstanden?
  • Wie kann ich das leben? Womit möchte ich anfangen?



Das leben, was ich aus der Heiligen Schrift verstanden habe. Das ist ein ziemlich hoher Anspruch. Immer dann, wenn ich mich damit überfordert fühle, hilft mir folgendes Lied, das mir in Erinnerung ruft, dass vor Gottes Anspruch an mich sein Zuspruch für mich steht:


Von deinen Worten können wir leben,
durch deine Worte weitersehn.
Mit deinen Worten können wir sterben
und auf dein Wort hin auferstehn.


Wo unser Wort oft leicht und leer
den Ohren nur geschmeichelt hat,
ist dein Wort manchmal hart und schwer
und macht doch unsre Herzen satt.


Wo unser ganzes Denken hier
sich eingesperrt in Kreise dreht,
da öffnet uns dein Wort die Tür,
durch die dein Geist der Freiheit weht.


Wo unser Wort das Leid nicht fasst,
wo unser bester Trost nicht hält,
da greift dein Wort nach unsrer Last
und nimmt uns mit in deine Welt.


Wo uns das letzte Nichts bedroht,
die Starre und die Dunkelheit,
da weckt dein Wort uns auf vom Tod –
jetzt und am Ende aller Zeit.


Mach unsre Ohren frei und sprich
hinein in unsre Herzen nun.
Lass uns nichts hören als nur dich,
und hilf uns, was du sagst, zu tun.


Von deinen Worten können wir leben,
durch deine Worte weitersehn.
Mit deinen Worten können wir sterben
und auf dein Wort hin auferstehn.


(Manfred Siebald[1])


[1] Verlag: SCM Hänssler Musik, audio-CD „Nicht vergessen“, 6. Aufl. 2009

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