9.4. Zu-Mut-ungen Gottes

Predigt vom 2. Fastensonntag LJB – 27./28.3.2021 -  Gen 22, 1-2.9a.10-13.15-18

Liebe Mitchristen,

Was mutet uns Gott da eigentlich zu? Seit einem Jahr leben wir mit der Pandemie. Menschen haben Angst. Der Lockdown belastet. Viele trauern um Angehörige, die an oder mit dem Virus gestorben sind. Weltweit wird derzeit von etwa 2,5 Mio. Toten ausgegangen. Viele sind allein gestorben. Selbst Abschied nehmen am Totenbett ist nicht möglich. Und dann steht man vor dem zuen Sarg oder einer Urne. Alles ist so unwirklich. Nicht einmal in der Trauer darf man einander nahe sein. Abstandhalten war und bleibt das Gebot der Stunde.

Was mutet uns Gott da eigentlich zu? Was ist das für ein Gott, der Leid zulässt? Kriege; Hungersnöte; Perspektivlosigkeit, vor der Millionen von Menschen die Flucht ergreifen? Die irgendwo stranden; unter unmenschlichen Bedingungen ausharren oder gar im offenen Meer ertrinken, weil niemand sie haben will.

Was mutet Gott uns eigentlich zu? Was ist das für ein Gott, der es selbst in seiner Kirche zulässt, dass Menschen missbraucht werden und andere dies vertuschen? Dass es immer noch Menschen zweiter Klasse gibt, nur weil sie Frauen sind? Dass viele deshalb in Scharen aus der Kirche austreten?

Was mutet uns Gott zu, wenn in Kirche und Gesellschaft Macht missbraucht wird, Menschen gemobbt oder krank werden durch schlechte Arbeitsbedingungen?

Mutet uns das alles wirklich Gott zu?
Wenn er das wollte, was wäre das für ein Gott?
Wie sollte man ihm da glauben, dass er es gut mit einem meint?

 

Eine himmelschreiende Zumutung erfährt auch Abraham. Gott stellt ihn auf die Probe. „Nimm deinen einzigen Sohn und bring ihn als Brandopfer dar.“ Welch eine Zumutung. Das eigene Kind töten? Was für ein grausames Spiel treibt Gott da mit Abraham?

Kann diese Bibelstelle wirklich „Wort des lebendigen Gottes sein“? Eines Gottes, der das Leben will? Manche lehnen daher das Alte Testament ab. Es sei grausam und habe nichts mit Jesus zu tun. Dabei vergessen sie: Jesus ist ja auch auf grausame Weise ums Leben gekommen…

Verstehen kann man diese Bibelstelle wohl nur, wenn man den größeren Zusammenhang liest. Es geht hier nicht allein darum, wer und wie Gott ist. Es geht vor allem um die Frage: „Wie reagiert Abraham auf die eigentlich völlig absurde Forderung Gottes?“

Absurd ist sie aus zwei Gründen:

Die Leser, für die damals der Text aufgeschrieben wurde, die wussten ja schon, dass ihr Gott keine Menschenopfer will. Ganz im Gegensatz zu den Gottheiten anderer Völker.

Absurd ist sie aber auch im Hinblick auf das Versprechen, das Gott gegeben hatte. Zu Beginn der Abrahamerzählung ruft Gott ihn aus seiner Heimat heraus in ein unbekanntes Land, das er ihm geben will. Gott verspricht dem kinderlosen Abraham und seiner Frau Sahra so viele Nachkommen, wie Sterne am Himmel zu sehen sind. Er soll Stammvater eines großen Volkes werden. Doch wie kann sich diese Zusage erfüllen, wenn Abraham seinen Sohn schlachtet? Das ist doch absurd!

Vor der Zumutung, die Abraham erfährt – steht Gottes Verheißung:
„Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein.“
Die Frage, ist daher: „Vertraut Abraham auf Gottes Treue, obwohl alles dagegen spricht?“ Anfangs konnte er ja auf Gott vertrauen. Mit 75 Jahren hat er noch Sicherheiten fallen gelassen und ist aufgebrochen zu einem unbekannten Ziel.

Wie wird er jetzt reagieren? In einer Krise? Während der ganzen dreitätigen Reise zum Opferberg hört Abraham nichts mehr von Gott. Buchstäblich bis zum letzten Augenblick hüllt sich Gott in Schweigen.

In Krisenzeiten fühlt es sich ja oft so an, als ob Gott einem nichts mehr zu sagen hat. Gott scheint abwesend zu sein und Glaube nur eine Illusion.

Doch wenn Gott dem Abraham wirklich die Treue aufgekündigt hätte, dann stände diese Geschichte nicht in der Bibel. Am Beispiel Abrahams soll gezeigt werden, dass man in jeder Situation felsenfest auf Gott zählen kann.

Das hat das Volk Israel auch immer wieder erfahren. In Krisenzeiten haben sie sich immer wieder in Erinnerung gerufen, was Gott ihnen versprochen hat und wo er dieses Versprechen bereits wahr gemacht hat.

Die Abrahamgeschichte zeigt: es ging gut aus. Isaak wird leben und später zwölf Enkel bekommen. Symbolfiguren für das ganze Volk Israel. Auch sie geraten in eine große Krise. Durch eine Hungersnot fliehen sie nach Ägypten. Dort werden sie später versklavt. Doch auch hier zeigt sich: Gott ist für sie da. Und die Erinnerung an die Befreiung aus Ägypten soll ihnen später helfen, Krisen durchzustehen und Gott zu vertrauen.

Im Rückblich auf die Erfahrungen mit Gott zeigt sich:
Gott ist unbegreiflich, aber man kann immer auf ihn zählen.

Der Glaube erfordert das bedingungslose Vertrauen eines Menschen in die Zusage Gottes.
Dabei hat Gott uns nicht zugesagt, dass er uns vor allem Leid bewahrt. Er bewahrt uns im Leid.
Er erfüllt nicht alle unsere Wünsche, aber alle seine Verheißungen – trotz aller Zumutungen, die das Leben uns bringt.

Die größte Zumutung, die Gott uns gebracht hat, ist Jesus Christus.
Im Gegensatz zu Isaak hat er seinen einzigen Sohn nicht vor dem Tod verschont. Gottes Zumutung spricht uns Mut zu. Er erfüllt seine Verheißung, dass er ein Gott des Lebens ist.

 

Was bedeutet das für mich, wenn ich mich in einer Krise befinde?
Die Frage: „Was mutet mir Gott da eigentlich zu?“ treibt mich in die Resignation oder gar Depression. Die Frage sollte sein: „Vertraue ich auf den Mut, den Gott mir zuspricht?“

Helfen kann mir dabei die Erinnerung: Wo habe ich in meinem Leben bereits erfahren, dass Gott es gut mit mir meint?

Wenn ich keine eigenen Erinnerungen habe, darf ich mich an die gemeinsame Erinnerung halten, die uns als Glaubensgemeinschaft geschenkt ist: Die Erfahrungen und Erinnerungen, die in der Bibel verbrieft sind. Sie kann ich mir zu eigen machen und Mut daraus schöpfen.

Dietrich Bonhoeffer ist das wohl gelungen. Der evangelische Pfarrer und Widerstandskämpfer, der von den Nazis ermordet wurde bekennt in einer Krisenzeit:

Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. 
Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.
Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. 
Aber er gibt sie nicht im voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. 
In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.
Ich glaube, dass auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind, und dass es Gott nicht schwerer ist, mit ihnen fertig zu werden, als mit unseren vermeintlichen Guttaten. 
Ich glaube, dass Gott kein zeitloses Fatum ist, sondern dass er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet. Amen.

 

(Auslegung zur Abrahamgeschichte siehe auch: Josef Imbach, Ja und Amen - Was Christen glauben, Würzburg 2020, S. 23ff.)

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