4.5. Ohne Feier verliert sich der Mensch


Feiern sind wichtig für unsere Identität. Sie sagen uns, wer wir sind. Ganz besonders gilt dies für Gedenkfeiern. Zum Beispiel die Geburtstagsfeier. Jedes Jahr steht das Datum meiner Geburt im Kalender. Zunächst einmal ist dies ein Tag wie jeder andere. Erst wenn ich mir bewusst mache, was an diesem Datum geschehen ist, ändert sich mein Gefühl zu diesem Tag. Nur wenn mir bewusst wird, dass mir an diesem Tag mein Leben geschenkt wurde – dass es mich ohne diesen Tag gar nicht gäbe – habe ich einen Grund, dieses Ereignis aus der Vergangenheit zu feiern. Manchmal denke ich zurück an frühere Geburtstage. Dann wird mir bewusst, zu wem ich gehöre, aus welcher Familie ich komme, wer und was mich im Laufe der Zeit geprägt hat und wer ich dadurch geworden bin. Die Feier bildet also meine Identität.

Die Feier bildet auch die Identität einer Gemeinschaft. Eine Gruppe oder Gemeinschaft wird sich ihrer gemeinsamen Vergangenheit bewusst. Ein Gründungsjubiläum erinnert zum Beispiel daran, wie einmal alles begann. Welche Vision damals Menschen in Bewegung gesetzt hat. Auch wichtige Ereignisse – sowohl positive, als auch negative – sind Anlass für Gedenkfeiern. Wenn die Deutschen zum Beispiel am 9. November keine Gedenkfeiern mehr begehen würden, vergäßen sie prägende Ereignisse. Negativ: die Pogromnacht 1938; positiv: den Fall der Mauer 1989. Zur Identität einer Nation gehören eben Licht- und Schattenseiten. Indem eine Gemeinschaft Feiertage begeht, wird sie sich immer wieder ihrer gemeinsamen Identität bewusst.

Nicht zu verachten ist auch: Das Feiern durchbricht den Alltag. Nur wenn ich mich aus dem Alltagsgeschäft zurückziehe, entziehe ich mich der Tretmühle der Anforderungen und des täglichen Einerleis. Ich brauche immer mal wieder Zeit für mich, um zu mir selbst zu kommen. So schöpfe ich neue Kraft und werde mir bewusst, wer ich eigentlich bin.

Unterbrechung:

Wie möchte ich meinen nächsten Geburtstag begehen, oder den meiner Angehörigen? 
  • Denke ich daran, dass schon wieder ein Jahr meines Lebens vorbei ist und würde den Tag am liebsten aus dem Kalender streichen, da jedes Lebensjahr mehr mich an die Endlichkeit meines Lebens erinnert?
  • Oder sage ich Danke dafür, dass mir damals das Leben geschenkt wurde und dass ich hier und jetzt leben darf?
  • Mache ich mir bewusst, dass ich gewollt bin und geliebt?

Kommentare