9.2. Dreifaltigkeitssonntag A - Gott liebt diese Welt

Liebe Mitchristen,

lieben Sie diese Welt? – So, wie sie ist?

Natürlich gibt es viel Gutes:

·         Menschen, die einem nahestehen. Ein schönes Zuhause – vielleicht mit Garten;

·         Die Münsterländer Parklandschaft;

·         Engagierte, die sich für das Gemeinwohl einsetzen;

·         eine Regierung in Deutschland, die mit viel Umsicht und Verantwortung das Wohl der Bürger im Blick hat.

Wenn ich genau hinsehe, gibt es vieles, wofür ich Danke sagen kann.

Aber es gibt auch die andere Seite:

·         Das Wort „Corona“ kann ich nicht mehr hören, doch ich weiß, es wird uns noch lange begleiten.

·         Rassismus gibt es nicht nur in den USA – ich hoffe es nicht, aber ich fürchte, sogar bei uns in Laer.

·         Frauen werden nicht nur in der Katholischen Kirche diskriminiert, sondern überall in unserer Gesellschaft.

·         Bei sexueller Gewalt sieht es nicht anders aus.

Wie kann ich eine Welt lieben, in der es auch so viel Schlimmes gibt? So viel Leid, Sünde und Schuld?

 

Und doch heißt es im Evangelium heute:

„Gott hat die Welt so sehr geliebt…“ (Joh 3,16)

Kann man glauben, dass Gott eine Welt liebt, in der es so viel Lieblosigkeit gibt?

 

Dieser Liebe zu glauben, das ist schon eine Provokation!

Sie ruft uns heraus aus allzu menschlichen Vorstellungen von Gott.

·         Also: dass Gott zum Beispiel Gutes belohnt und Schlechtes bestraft.

·         Dass er kleinlich wäre und nachtragend.

·         Buch führt über unsere Taten und am Ende die Rechnung präsentiert.

Das sind Gottesbilder, die krank machen.

Wir sind herausgefordert, größer von Gott zu denken. In der Bibel heißt es: „Gott ist die Liebe“. Das ist eine Provokation im positiven Sinn. Gott liebt uns nicht, weil wir gut wären, sondern weil er Gott ist. Wir sind herausgerufen – herausgefordert  - , ihm seine bedingungslose Liebe zu glauben und darauf zu antworten.

Das Alte Testament ist durchzogen davon, dass Gott um die Liebe des Menschen wirbt. Am Berg Sinai besiegelt er in den Zehn Geboten seinen Bund mit den Menschen. Doch diese wenden sich immer wieder von ihm ab. Gott läuft ihnen buchstäblich immer wieder hinterher. Und immer wieder kommen die Menschen davon ab, seiner Liebe zu antworten, auf seiner Liebe ihr Leben zu bauen.

Der Mystiker Bernhard von Clairvaux hat das im Mittelalter aufgegriffen. Er lebte in der Zeit des Minnegesangs. Und so klingt er wie ein Minnesänger Gottes. Vielleicht für heutige Ohren ein wenig schwulstig. Aber ich mag das Bild, das er in seiner Predigt malt, wie Gott um den Menschen wirbt. Er schreibt:

„Als Gott sein edles Geschöpf, den Menschen, wiedergewinnen wollte, sagte er zu sich selbst: ‚Zwinge ich ihn gegen seinen Willen, so habe ich einen Esel, keinen Menschen. Soll ich Eseln mein Reich anvertrauen?

Oder soll ich als Gott mir Ochsen gefügig machen?

Ochs und Esel – wer denkt da nicht an Weihnachten?
In Bernhards Predigt sagt Gott:

Nein: [Ich will ihn nicht zwingen und nicht gefügig machen] Im Menschen wohnt nicht nur die Angst, die ich benützen könnte, um ihn an mich zu binden, sondern auch die Liebe, und nichts zieht ihn stärker.’ So ging Gott ins Fleisch ein [wurde Mensch].

Gott zwingt also den Menschen nicht, ihn zu lieben, er kommt ihm einfach in der Gestalt eines Babys entgegen. Und wer könnte ein Baby nicht lieben??? Gottes Rechnung geht auf: An Weihnachten sind die Kirchen voll.

Bernhard von Clairvaux schreibt weiter:

Gott erwies sich [in seinem Sohn Jesus Christus] als derart liebenswürdig, dass er uns jene größte Art der Liebe erwies, die von niemandem übertroffen werden kann: die Liebe, sein Leben für uns hinzugeben.“

 

Poetische Worte. Im Evangelium heißt es heute kurz und knapp: „Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab.“ (Joh 3, 16-18) Schade, dass mit dem Karfreitag heute so wenig Christen wirklich etwas anfange können.

Die Mission Jesu war, dass die Menschen ihm glauben: „Du bist geliebt – vor aller Leistung und nach aller Schuld.“ Das hat er gezeigt in Wort und Tat. Seine Predigt rührte die Menschen an. Bei ihm fanden sie Ruhe. In seiner Nähe wurden sie heil. Einsame und Außenseiter fanden wirkliche Gemeinschaft – nicht nur unverbindliche Geselligkeit.

Jesus trat mit dem Anspruch auf, mit Gott im Bunde zu stehen. Das brachte ihn mit den Religionsführern in Konflikt und er musste sich entscheiden: „Stillschweigen und den eigenen Kopf retten?“ Oder: „Sich selbst und seiner Botschaft treu bleiben – und am Kreuz enden?“ Jesus ist der Liebe treu geblieben. Das hatte ihn Kopf und Kragen gekostet – vorerst. Er hat seinen Tod in Kauf genommen, damit wir ihm die Liebe Gottes glauben. Damit hat er uns gerettet. Durch seinen Tod hat er die Welt erlöst von Sünde und Schuld.

Das sind Worte, die ich von klein auf kenne. Doch ehrlich gesagt: Ich habe das lange nicht verstanden. Wie kann der Tod eines Menschen mich 2000 Jahre später von meinen Sünden erlösen??

Mein Antwortversuch heute: 

Das Wort Sünde leitet sich ab vom altnordischen Wort „sundr“. Das heißt Absonderung. Durch die Sünde sondert sich der Mensch ab von der Liebe. Und damit von Gott und von den Mitmenschen. 

Die größte Absonderung von Gott – die wirkliche Trennung von der Liebe – wäre der endgültige Tod. Und davor haben die Menschen am meisten Angst. Aus Angst um sich selbst, aus Angst zu kurz zu kommen, entstehen Haltungen wie Neid, Missgunst, Geiz, Habsucht und alle Formen von Lieblosigkeit.

Und jede Lieblosigkeit trennt mich von meinen Mitmenschen. Gleichzeitig trennt sie mich auch von Gott, der die Liebe ist. Und damit von meiner eigentlichen Identität und Berufung, von der Art Gottes zu sein – Abbild der Liebe.

Die Angst vor dem Tod ist es also letztendlich, die mich dazu bringt, zu sündigen. Das steckt ganz tief in mir drin und da komm ich allein nicht raus. Wenn ich jedoch wirklich darauf vertrauen könnte, dass ich durch Jesu Tod und Auferstehung keine Angst zu haben brauche vor dem endgültigen Tod – also endgültig verloren zu sein – könnte ich befreit leben. Und ich habe ich allen Grund, keine Angst haben zu müssen um mich selbst. Denn ich darf darauf vertrauen, dass mir das gleiche Schicksal blüht wie Jesus Christus. Der Tod kann mir letztendlich nichts anhaben. Ich habe also eigentlich keinen Grund für Neid, Missgunst, Geiz, Habsucht – keinen Grund für Lieblosigkeit, die mich absondert.

Insofern kann ich sagen: Jesus hat diese Absonderung – die Sünde – hinweggenommen. Er hat die Menschen davon erlöst – gerettet.

 

„Gott liebt diese Welt. Und Christ ist, wer dieser Liebe Gottes zur Welt glauben kann. Wer sich geliebt weiß, sieht die Welt und das Leben mit anderen Augen; er lebt mit guten Erwartungen und Hoffnungen, ist dankbar und kann überglücklich sein.“

Denn auch nach jeder Lieblosigkeit, die mich als Menschen immer wieder begleiten wird, kann ich immer wieder neu anfangen. Ich kann mich immer wieder neu nach der Liebe ausrichten.

„„Gott hat die Welt so sehr geliebt…“ das ist Gottes Weltbild. Die Welt soll nicht zum Teufel gehen oder zum Tod, sondern zum Leben, zum neuen Leben, das mit Jesus seinen Anfang genommen hat.“[1]

Laer, 7.6.20



[1] Franz Kamphaus, Tastender Glaube, Patmos, S. 185ff.

Kommentare