2.10. Beten wie Jesus

Die Art und Weise wie Jesus betete, muss auf seine Jünger ungeheuren Eindruck gemacht haben. Der Evangelist Lukas beschreibt das so:
Jesus betete einmal an einem Ort;
und als er das Gebet beendet hatte, sagte einer seiner Jünger zu ihm:
Herr, lehre uns beten, wie schon Johannes seine Jünger beten gelehrt hat.
Da sagte er zu ihnen:
Wenn ihr betet, so sprecht:
Vater, dein Name werde geheiligt.
Dein Reich komme.
Gib uns täglich das Brot, das wir brauchen.
Und erlass uns unsere Sünden;
denn auch wir erlassen jedem, was er uns schuldig ist.
Und führe uns nicht in Versuchung. (Lk 11, 1-4)


Im Matthäusevangelium ist die Gebetslehre Jesu ausführlicher:

Wenn ihr betet, macht es nicht wie die Heuchler. Sie stellen sich beim Gebet gern in die Synagogen und an die Straßenecken, damit sie von den Leuten gesehen werden. Amen, das sage ich euch: Sie haben ihren Lohn bereits erhalten.
Du aber geh in deine Kammer, wenn du betest, und schließ die Tür zu; dann bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist. Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.
Wenn ihr betet, sollt ihr nicht plappern wie die Heiden, die meinen, sie werden nur erhört, wenn sie viele Worte machen. Macht es nicht wie sie; denn euer Vater weiß, was ihr braucht, noch ehe ihr ihn bittet. So sollt ihr beten:
Unser Vater im Himmel, dein Name werde geheiligt,
dein Reich komme, dein Wille geschehe / wie im Himmel, so auf der Erde.
Gib uns heute das Brot, das wir brauchen.
Und erlass uns unsere Schulden,
wie auch wir sie unseren Schuldnern erlassen haben.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern rette uns vor dem Bösen. (Mt 6, 5-13)


Der Ort des Gebetes ist das stille Kämmerlein. Die Beziehungspflege zu Gott und das Auftun meines Herzens erfordert den Rückzug. Stille und Einsamkeit ist der Ort, an dem ich in Kontakt komme mit Gott. Vor allem geht es nicht darum, anderen zu beweisen, wie fromm ich bin. Das ist ganz allein eine Sache zwischen mir und ihm.

Das Vater unser ist DAS Gebet der Christen. Doch viele Menschen tun sich schwer mit den Versen „dein Wille geschehe“ und „führe uns nicht in Versuchung“. Die Bitte, dass der Wille Gottes geschehe, verwechseln manche Menschen mit Schicksalsergebenheit oder gar Leid erdulden, weil Gott es so will. Was wäre das für ein sadistischer Gott? Ich verstehe die Bitte so: Gottes Wille ist es, dass das Reich Gottes vollendet wird, dass also in der Welt nur die Liebe herrscht und nicht Hass, Neid, Gewalt und Not. Der Wille Gottes ist, dass alle Menschen zu IHM finden, heil werden und erfüllt leben können. Und sein Wille ist, dass wir unseren Beitrag dazu leisten, entsprechende Lebensbedingungen zu schaffen. Deshalb führt Gott uns auch nicht in Versuchung. Besser übersetzt könnte es heißen: „führe uns in der Versuchung“ oder „führe uns durch die Versuchung hindurch.“, so dass Egoismus und Machtmissbrauch überwunden werden.

Beim Beten dürfen wir Gott alles anvertrauen, was uns auf dem Herzen liegt: Freude, Dank, Traurigkeit und Angst. Wir dürfen ihm sogar unsere ganze Wut entgegenschleudern. Das hält er schon aus. Doch manchmal hat man gar keine Worte. Weiß nicht, was man beten soll oder kann seine Gefühle nicht in die richtigen Worte packen. Da ermutigt Jesus uns, dass wir auch gar nicht viele Worte machen müssen. Das Gebet nützt keinen Deut mehr, wenn wir Gott zutexten und uns vielleicht sogar noch in poetischen Ergüssen sonnen. Wir müssen Gott gar nicht erzählen, was er nicht eh schon über uns wüsste. Er weiß schon längst – und vielleicht sogar viel besser als wir selber – was wir brauchen, damit unser Leben gelingt. Deshalb ist die Mitte des Vater-unsers die Bitte um das tägliche Brot. Damit ist gemeint: „Gib uns alles, was wir zum Leben brauchen.“ Und das ist mehr als das, was den Magen füllt.

Unterbrechung:

Was brauche ich zum Leben? Was brauche ich, um erfüllt zu leben?

Vertraue ich darauf, dass ER schon weiß, was für mich gut ist?

Wenn du magst, bete das Vater unser mit zu einer Schale geöffneten Händen im Vertrauen darauf: „Gott du weißt, was ich brauche. Meine Hände sind leer. Meine Möglichkeiten haben Grenzen. Gib du mir das, was ich am nötigsten brauche.“









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