2.12. "Betet für die, die euch verfolgen"


Abstand bekommen
Im Tagesrückblick begegnen mir manchmal auch Menschen, die ich nicht mag oder die mir das Leben schwer machen. Oft verschaffen mir diese Menschen schlaflose Nächte. In der Bergpredigt fordert Jesus uns auf: „Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen“ (Mt 5, 44). Diese Worte fordern heraus. Für diejenigen beten, die mich verfolgen, die mir das Leben schwer machen? Auch wenn ich das in aller Konsequenz wahrscheinlich nie schaffen werde, kann mir das Gebet für einen Menschen, mit dem ich nicht gut klar komme, helfen, Abstand zu bekommen und innerlich frei zu werden. Mir hat es tatsächlich einmal geholfen, anders mit einer Person umgehen zu können, mit der ich vorher ständig aneinander geraten bin: 
  • Ich habe versucht, den anderen innerlich mit Wohlwollen anzusehen und mir bewusst zu machen: Er ist ein Mensch – wie ich. Von Gott gewollt – wie ich. Er hat Fehler – wie ich.
  • Danach habe versucht, ihn objektiv zu sehen – soweit mir das als Außenstehender möglich ist. Habe überlegt, welche positiven Eigenschaften er oder sie hat. Welche Fähigkeiten.
  • Ganz nüchtern hab ich auch seine Schwachstellen angesehen. Vor allem die Seiten an ihm, die mich verletzt oder mir das Leben schwer gemacht haben.
  • Schließlich habe ich versucht, Gott für die guten Eigenschaften dieses Menschen zu danken. Und wegen der schlechten hab ich gebetet: „Herr, erbarme sich seiner.“ 

Dieses Gebet hat natürlich den anderen nicht geändert wie durch eine Zauberformel. Doch ich konnte Abstand gewinnen. Das „Herr, erbarme dich seiner“ bekam den Anklang eines „Herr, nimm du dich seiner an.“ Meine Gedanken kreisten nicht mehr ständig um den anderen und um meine Verletzung. Und in der Begegnung mit ihm wurde ich schließlich gelassener. Ich habe nicht mehr innerlich gegen ihn angekämpft. Das hat die Situation zwischen uns entkrampft und entschärft. Heute falle ich diesem Menschen immer noch nicht um den Hals, aber wir können menschlich miteinander umgehen. 

Und wenn ich heute im Bett liege und nicht schlafen kann, weil meine Gedanken um die Ereignisse oder auch Konflikte des Tages kreisen, dann bete ich: „Herr, erbarme ich meiner“ oder „Herr, erbarme dich seiner / ihrer.“ Ich übergebe Gott meine Sorgen während der Nacht. Es reicht ja, wenn ich sie am nächsten Morgen wieder ansehe und mit SEINER Hilfe wieder von vorn beginne.

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