9.3. Von der Vollmacht zu Reformen, um Menschen das Evangelium zu erschließen
Predigt 21. So. LJA – 22./23.8.2020
Ev.: Mt 16, 13-20
Von der Vollmacht zu Reformen, um Menschen das Evangelium zu erschließen
Liebe Gemeinde,
kennen Sie Petrus, den Türsteher des Himmels? Den
mit der Schlüsselgewalt? Die einen lässt er rein, andere nicht? Wie in diesem
Witz: „Ein Pfarrer und ein Busfahrer
warten vor der Himmelstür. Endlich lässt Petrus den Busfahrer hinein. Dem
Gottesmann verwehrt er den Eintritt. „Wenn du gepredigt hast, haben die Leute
in der Kirche geschlafen. Aber wenn der da am Lenkrad saß, haben alle Leute im
Bus gebetet.“ Ich hoffe, Sie schlafen bei meiner Predigt nicht ein. Noch
mehr hoffe ich allerdings, Sie beten nicht nur, wenn Sie eine Heidenangst haben
oder gar Panik.
Das Wort Panik kommt vom griechischen Gott Pan. Dem
Schutzgott der Hirten. Vor ihm hatten alle Angst. Die Mythologie beschreibt: Er
war halb Mensch, halb Ziegenbock und konnte die Herde so erschrecken, dass sie
plötzlich auseinanderlief. Fatal für die Hirten. So versuchten sie, den Pan bei
Laune zu halten – mit Opfern. Vor so einem Heiligtum des Pan steht Jesus heute
im Evangelium. In Caesarea Philippi: Ein Tempel des Hirtengottes Pan. Dort sagt
er seinen Jüngern: „Die Mächte der
Unterwelt werden die Kirche nicht bezwingen.“ In der Unterwelt herrscht der
Tod. Und vor dem haben die Menschen ja am meisten Angst. Vor der Kulisse des
Panheiligtums sagt Jesus den Jüngern: „Ihr braucht keine Panik zu haben vor dem
Tod – auch nicht vor dem Tod der Kirche.“ Vorausgesetzt, die Verantwortlichen nutzen
den Schlüssel des Himmelreiches, den Jesus dem Petrus übergibt. Die Kirche soll
den Menschen die Tür zu Gott öffnen – ihnen das Evangelium erschließen und
damit die Liebe Gottes. Und dabei keine Angst haben. Denn Angst fördert den
Untergang. Wer Angst hat um sich selbst, vertuscht Missstände. Wer Angst hat, schottet
sich ab – und wird zur Sekte. Aus Angst soll alles so bleiben wie es ist. Doch
nur was sich ändert, bleibt.
Den Menschen den Himmel aufschließen gelingt nur,
wenn sich die Kirche ständig reformiert. Im Evangelium sagt Jesus dem Petrus
und damit der ganzen Kirche: „Was du auf
Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden
lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein.“ Das galt bereits im
Judentum für die Schriftgelehrten und Rabbiner. Sie hatten die Binde- und
Lösegewalt. Dabei geht es nicht um Hochzeit oder Scheidung. Sie sollten
feststellen, ob ein Gesetz Gottes noch bindend war oder ob es aufgelöst werden
musste. In einer bestimmten Zeit entstanden, passt manches nicht für immer. Was
die Schriftgelehrten dann für verbindlich erklärten, galt auch vor Gott als
verbindlich. Wenn sie ein Gesetz auflösten, galt es auch vor Gott als
aufgelöst. – Bestimmt hatten manche Panik vor dieser Verantwortung. Daher blieb
oft alles beim Alten. Sie bürdeten den Gläubigen Gesetze auf, die diese nie
halten konnten. Die Folge: Die Menschen hatten Angst, nie richtig vor Gott dazustehen.
Aus Angst vor Veränderung versperrten ängstliche Schriftgelehrte den Menschen
den Zugang zu Gott.
Die Vollmacht der Schriftgelehrten – die Bind- und
Lösegewalt – überträgt Jesus auf Petrus und die junge Kirche. Damit sagt er: „Macht
ihr es besser.“ Auch kirchliche Gesetze und Normen müssen immer wieder verändert
werden. Immer dann, wenn sie den Menschen den Zugang zur Liebe Gottes
versperren. Die erste Norm hat Petrus selbst abgeschafft. Es ging um die Frage:
Müssen Heiden zuerst Juden werden, wenn sie sich taufen lassen wollen?
Nach heftigem Ringen verzichtet Petrus darauf. Danach erst konnte Paulus
missionieren. Nur durch diese Reform konnte sich das Christentum ausbreiten in der
ganzen Welt.
Was heißt das für die Kirche heute? Welche Normen
eröffnen Menschen heute die Liebe Gottes? Welche schließen sie von seiner Liebe
aus? Was bleibt bindend, wovon müssen wir uns lösen? Das ist auch die Frage des
Synodalen Weges. Bischöfe und Laien beraten gemeinsam. Hoffentlich wird es auch
gemeinsame Entscheidungen geben, die den Menschen den Zugang zu Gott erleichtern.
Zum Beispiel der Umgang mit Macht. Macht ist ja an
sich nichts Schlimmes. Ohne Macht kann ich nichts machen. Aber Machtmissbrauch
muss verhindert werden. In einer absolutistischen Monarchie wie der
Katholischen Kirche ist die Gefahr von Missbrauch groß. Gewaltenteilung kann davor
schützen.
Ein anderes Beispiel: die Lebensform der Priester. Für
einige mag der Zölibat authentisch sein. Andere werden daran krank oder führen
ein Doppelleben. Kann man so den liebenden Gott glaubwürdig verkünden? Im
ersten Jahrtausend waren Priester verheiratet. Die Norm ist also schon einmal
verändert worden. Der Grund damals war eine Mischung aus Kirchenpolitik und
Sexualfeindlichkeit. In der Ostkirche allerdings sind Priester seit eh und je
verheiratet. Man kann diese Norm also wieder ändern!
Damit wären wir beim dritten Thema des synodalen
Weges: der Sexualmoral. Wichtiger als die Frage „wann darf man?“ scheint mir
die Frage „wie kann man Sexualität verantwortlich leben? Ist sie Ausdruck von Liebe
oder ist der Andere nur ein Objekt, um eigene Bedürfnisse zu befriedigen? Sogenannte
„eheliche Pflichten“ – heute sagt man Vergewaltigung in der Ehe – waren früher
oft die Hölle auf Erden – und das mit kirchlichem Segen…
Und wie sieht es aus mit wiederverheiratet
Geschiedene? Das Versprechen, ein Leben lang füreinander da zu sein und
einander treu zu bleiben, möchte ich nicht aufgeben! Doch wie gehen wir mit dem
Scheitern um? Die Botschaft Jesu ist: Nach dem Scheitern ist ein Neuanfang
möglich. Umkehr, Vergebung und Barmherzigkeit sind seine zentralen Themen. Sie
verdichten sich im Empfang der Sakramente. Doch wie sollen wir den Menschen die Liebe Gottes eröffnen, wenn wir
sie ausschließen von den Zeichen der Nähe Gottes?
Schließlich die Rolle der Frau. Klar: In der Bibel
findet man Argumente gegen die Priesterinnenweihe. Argumente dafür ebenfalls. Doch
wer keine Argumente mehr hat, erlässt ein Diskussionsverbot. Wie Papst Johannes
Paul II. Er meinte, dass die Kirche von Gott nicht dazu ermächtigt sei, Frauen
zu weihen. Papst Franziskus hat bekräftigt, diese Tür sei verschlossen. Doch verschlossene
Türen kann man öffnen – wenn man will. Selbst die heilige Pforte in Rom – sie ist
zugemauert – wird alle 50 Jahre vom Papst persönlich eingerissen. Und was die
Ermächtigung der Kirche angeht: Jesus hat ihr die Binde- und Lösegewalt
übertragen. Somit ist (!) sie ermächtigt, auch diese Norm zu überdenken.
Doch manche Menschen scheinen eine panische Angst
davor zu haben, dass sich etwas ändert. Aber nur, was sich ändert, bleibt. Nur
wer sich ändert, bleibt sich treu. Die Kirche muss tun, was Jesus ihr
aufgetragen hat: sich an Normen binden, die den Menschen die Liebe Gottes
erschließen. Von anderen muss sie sich lösen. Das ist eine große Verantwortung.
Aber Jesus vertraut seiner Kirche. Er traut ihr etwas zu! Und sein Geist wirkt
in ihr. Mit ihm brauchen wir keine Angst haben – auch nicht vor Veränderung.
Denn nicht Panik soll uns Christen bestimmen, sondern Christus.
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